Die Glockennacht

Melodie - Ein Gedicht aus Danzig

Martin Damß

Das war eine Nacht. Der Nordwind pfiff
und sang seine wildesten Lieder
um Sankt Mariens ragendes Riff.
Der Regen rauschte um Turm und Schiff
wie sprühende Brandung hernieder.

Das war eine Nacht, die allen mehr
als Traum und Ruhe genommen.
Schwarz stand die Stadt, ein reisiges Heer
mit Kreuz und Krone im himmlischen Meer,
das über die Weichsel gekommen.

In ihren Betten lagen sie wach
und sie lauschten mit bangem Herzen,
wenn jäh der Sturm aus Mauer und Dach
vermorschte Balken und Ziegel brach --
rot brannten die weißen Kerzen.

Und in der zwölften Stunde zur Nacht,
da sind in dem brausenden Toben
die Glocken von Sankt Marien erwacht,
erst leise, dann lauter, und wie eine Schlacht
kam dann das Dröhnen von oben.

Im Rundholz bohrte der Totenwurm,
dumpf krachten die eichenen Planken,
aufschrien die die Angeln. Da sprang der Sturm
als wilder Glöckner hinein in den Turm,
und die Glocken begannen zu schwanken.
  Und Stoß um Stoß, und Klang auf Klang
die erzenen Kelche verstreuten.
"Sibylla" schrie und "Susanna" sang,
und der Regen rauschte so lang, so lang,
und immer das Läuten, das Läuten.

Das war die Nacht, da Gottes Alarm
durchraste die schlafenden Gassen,
die Männer horchten, gestützt auf den Arm,
der Atem der Frauen streifte sie warm,
sie konnten den Aufruhr nicht fassen.

Das war die Stunde, da draußen im Land
bis zu den baltischen Wogen
die heilige Erde der Heimat gebrannt,
und fremde Hände durch Acker und Sand
die Grenze der Schande gezogen.

Das war der Morgen, da Freiheit und Glück
und Ehre und Waffen zerbrachen.
Uns blieben nur Schmach und Trauer zurück.
Nun tragen wir dunkel das schwere Geschick,
nun müssen wir wachen und wachen.

Uns frommt kein Schlaf und funkelt kein Wein,
wir trinken aus bitteren Krügen.
Tief bluten am Abend Mauer und Stein,
da sprechen wir hart unsern Schwur hinen:
"Wir werden die Schande besiegen".

Dann sollen die Glocken von Sankt Marien
wie einst in der Sturmnacht erzittern.
Und deckt uns der Rasen auch schweigend und grün,
der Donner der Freiheit wird über uns ziehn
und aus den Glocken gewittern.

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